In der betrieblichen Praxis ist die Einhaltung steuerrechtlicher Pflichten seit Jahren ein zentraler Haftungs- und Compliance-Bereich. Laut einer KfW-Mittelstandsstudie von 2023 bezeichneten rund 42 Prozent der befragten GmbH-Geschäftsführer Steuern und Abgaben als „die größte rechtliche Unsicherheitsquelle“ im Unternehmensalltag. Insbesondere kleine und mittlere GmbHs unterschätzen häufig, dass steuerliche Versäumnisse nicht nur Bußgelder, sondern auch persönliche Haftungsrisiken nach sich ziehen. Zudem zeigen Auswertungen des Bundeszentralamts für Steuern, dass die Zahl der Geschäftsführerhaftungsfälle (§ 69 AO) in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist, besonders im Zusammenhang mit der Umsatz- und Lohnsteuer.
Steuerrechtliche Verantwortung
Auch wenn die GmbH selbst Steuerschuldnerin ist, trifft den Geschäftsführer die Hauptverantwortung für die korrekte Erfüllung der steuerlichen Pflichten. Nach § 34 Abgabenordnung (AO) muss er dafür sorgen, dass alle steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt werden. Dazu zählen insbesondere:
- ordnungsgemäße Buchführung und revisionssichere Aufzeichnungen,
- fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen und Voranmeldungen,
- korrekte Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag,
- Duldung von Betriebsprüfungen sowie Bereitstellung erforderlicher Unterlagen.
Der Geschäftsführer darf zwar Aufgaben an Steuerberater oder interne Fachkräfte delegieren, bleibt aber rechtlich verpflichtet, die ordnungsgemäße Erfüllung zu überwachen. Die Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 17. Juli 2023 – VII R 32/21) betont, dass eine „bloße Unkenntnis“ kein Entlastungsgrund ist.
Risiken
- Steuerhinterziehung (§ 370 AO): Sie stellt den schwerwiegendsten steuerstrafrechtlichen Tatbestand dar. Sie setzt einen vorsätzlichen Pflichtverstoß voraus – etwa das bewusste Verschweigen von Einnahmen oder das Einreichen falscher Angaben. Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, in besonders schweren Fällen (z. B. bei hohen Beträgen oder Organisationsverschleierung) bis zu zehn Jahren. Eine Selbstanzeige (§ 371 AO) kann eine Straffreiheit bewirken, sofern sie vollständig und rechtzeitig erfolgt. In der Praxis ist jedoch große Sorgfalt geboten: Teilselbstanzeigen oder zu späte Nachmeldungen führen regelmäßig nicht mehr zur Strafbefreiung.
- Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO): Diese liegt vor, wenn ein Geschäftsführer steuerliche Pflichten in erheblicher Weise fahrlässig verletzt – etwa durch unzureichende Kontrolle der Buchhaltung oder Missachtung offensichtlicher Unstimmigkeiten. Es drohen Geldbußen bis 50.000 Euro.
- Eine ähnliche Sanktion betrifft die Steuergefährdung (§ 379 AO), beispielsweise durch falsche oder unvollständige Belege.
- Persönliche Haftung (§ 69 AO): Verletzt der Geschäftsführer seine steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig, haftet er persönlich für die daraus resultierenden Steuerschäden der GmbH. Dies umfasst insbesondere nicht abgeführte Umsatz-, Lohn- und Körperschaftsteuerbeträge.
- Die Finanzgerichte vertreten seit Jahren eine strenge Linie: Schon das bloße Ignorieren wiederholter Mahnungen des Finanzamts gilt regelmäßig als grob fahrlässig. Nach dem BFH-Urteil vom 13. Juli 2022 (VII R 18/20) kann selbst ein vorübergehender Liquiditätsengpass keine Rechtfertigung dafür sein, Lohnsteuerzahlungen zurückzustellen.
Präventionsstrategien
Empirische Erhebungen zeigen, dass besonders in KMU die steuerliche Compliance-Organisation häufig lückenhaft ist. Viele Unternehmen verfügen über kein dokumentiertes Tax-Compliance-Management-System (TCMS), obwohl derartige Systeme in der Rechtsprechung (z. B. BMF-Schreiben vom 31. Mai 2022) ausdrücklich als Entlastungsindiz gewertet werden können.
Ein rechtssicheres TCMS ist daher geboten. Es umfasst dabei: klare Verantwortlichkeitszuweisungen im Rechnungswesen, interne Kontrollverfahren und Vier-Augen-Prinzip, regelmäßige Schulungen der Geschäftsleitung und revisionssichere Dokumentation steuerrelevanter Vorgänge.
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