Kostennachteile in Deutschland

Selbst die Schweiz ist jetzt vorteilhafter

iStock, NicoElNino

Das will schon was heißen, wenn ein großes Familienunternehmen wie Stihl aus Waiblingen überlegt, seine Produktion in die Schweiz zu verlegen. Der Bau des geplanten Werkes in Ludwigsburg bei Stuttgart liegt jedenfalls erst einmal auf Eis. Wenn Unternehmen trotz eines durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommens in der Schweiz von knapp 7.000 Schweizer Franken (Medianwert) an eine Verlagerung denken, dann ist in Deutschland doch einiges faul. Nikolas Stihl, Chef des Weltmarktführers für Motorsägen, warnt daher davor, dass immer weniger Investitionen nach Deutschland fließen und immer mehr Unternehmen ihr Glück im Ausland versuchen. Die Stimmung zwischen Wirtschaft und Bundesregierung trübt sich jedenfalls weiter ein.

Belastende Faktoren

  • Energie: Obwohl die Gas- und Strompreise im Vergleich zum Sommer/Herbst 2022 wieder gesunken sind, bleiben sie wohl dauerhaft so hoch, dass deutsche Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke und neue Abhängigkeiten in der Gasversorgung lassen nichts Gutes erahnen. 
  • Steuern: Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist das Unternehmenssteueraufkommen in den letzten 10 Jahren um 45 Prozent gestiegen. Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Hochsteuerland, das Konzerne durch internationale Konstruktionen gerne umgehen.
  • Infrastruktur: Viele Brücken auf deutschen Autobahnen sind marode und für den Schwerlastverkehr oder sogar ganz gesperrt, wie z. B. auf der A45. Dass der Staat Jahrzehnte von der Substanz gelebt und das viele Geld vor allem für die explodierenden Sozialbudgets verwendet hat, wird nun deutlich.
  • Bürokratie: Aktuell jagen das neue Lieferkettengesetz, eine deutsche Besonderheit, und die kommende Nachhaltigkeitsberichterstattung dem Mittelstand kalte Schauer über den Rücken. Mittelbar sind davon alle betroffen. Ob die verschärfte EU-Version des Lieferkettengesetzes dauerhaft verhindert werden kann, wird sich noch zeigen.
  • Dirigismus: Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die Eigentümern von Wohn- und Nichtwohnimmobilien zwingt, noch funktionierende Gas- und Ölheizungen allmählich zu entsorgen und wenig technologieoffen Wärmepumpen protegiert, ist nur die Spitze eines Prozesses, der unser Erfolgsmodell der Marktwirtschaft einem staatsdirigistischen System opfert.
  • Inflation: Die ausufernde Staatsverschuldung in den Euroländern und die Ausweitung der Geldmenge durch die EZB-Politik haben zusammen mit einer Angebotsverknappung zu einer Erhöhung der Inflationsrate in der Spitze von rund 10 Prozent geführt. Zwar beträgt sie aktuell nur 2,5 Prozent, aber das gegenüber einem stark erhöhten Niveau. Ein erneuter Inflationsschub ist durchaus möglich. Zumindest erschweren - wie im Fall Stihl - die hohen Baukosten in Deutschland den Neubau von Produktionsanlagen. 
  • Arbeitsmoral: Der Fachkräftemangel ist in Deutschland in einigen Branchen immer noch ein zentrales Problem. Aber auch die Bestrebungen, die 4-Tage-Woche nach Möglichkeit bei vollem Lohnausgleich einzuführen, lässt die Stimmung im Mittelstand sinken. Zudem häufen sich aktuell die Krankschreibungen.

Auswege des Mittelstands

Diese Entwicklungen sind in allen EU-Ländern mal mehr oder weniger ausgeprägt anzutreffen, in Deutschland aber besonders extrem. Besonders freuen sich im Moment die USA, die deutsche Unternehmen mit niedrigen Kosten und guten Rahmenbedingungen locken. Doch nicht alle Mittelständler können und wollen ihren Standort in die USA verlegen. Immer mehr investieren jedoch in andere Länder, darunter auch osteuropäische. Unternehmen, die in Deutschland bleiben, sind nun gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und alle Kosten massiv zu senken. Dafür sind Investitionen in Software, Hardware und neue Technologien notwendig. Davor scheuen aber immer mehr Mittelständler zurück. Angesichts der Unsicherheiten halten sie „ihr Pulver“ lieber trocken.

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