Deutschland in der Krise

Dirigismus statt Marktwirtschaft

Pixabay, ArtTower

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, und meine heißen Tränen fließen.“ Diese Nachtgedanken von Heinrich Heine können einem in den Sinn kommen, wenn man sich die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland anschaut. Das seit Jahrzehnten bewährte Geschäftsmodell steht mittlerweile auf wackeligen Beinen. Wirtschaftsverbände wie der BDI beklagen sich daher immer lauter bei der Politik.

Aktuelle Lage

Das ifo-Institut meldet gerade, dass der Geschäftsklimaindex auf einen neuen Tiefpunkt gesunken ist. Die Unternehmen erwarten offenbar schwere Zeiten. Dazu passt, dass die Aufträge in der Industrie unerwartet wegbrechen. Die Wirtschaft schrumpft seit zwei Quartalen. Die Produktivität sinkt trotz steigender Bevölkerungszahlen. Jedes sechste Industrieunternehmen wandert laut BDI ins Ausland ab. Gleichzeitig steigen die Sozialbudgets in bedrohliche Höhen. Das Geld für längst nötige öffentliche Infrastrukturinvestitionen fehlt. Aber nicht nur das, auch deutsche und ausländische Unternehmen investieren immer weniger in Deutschland.

Derweil nehmen die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden gefährliche Dimensionen an, vor allem dann, wenn man die vielen versteckten Sondervermögen und die nicht ausgewiesenen Schulden für die Pensionen und Renten der Baby Boomer in Höhe von geschätzten rund 10 Billionen Euro hinzurechnet. Zudem entwertet die anhaltende Inflation, die im Juni in Deutschland wieder auf 6,4 Prozent gestiegen ist, zunehmend das Geld der Bürger. Zusammen mit der umstrittenen Novelle des Gebäudeenergiegesetzes von Robert Habeck führt das derzeit zu großer Unsicherheit und Konsumzurückhaltung. Wirtschaftliche Impulse kommen daher im Moment auch nicht von der deutschen Binnennachfrage.

Bundesbank schwächelt

Kein Wunder, dass der Begriff von Deutschland als der "kranke Mann Europas" wieder durch die Medien geistert. Hinzu kommen derzeit offenbar bilanzielle Probleme der Bundesbank, die sich aus den jahrelangen Anleihenkäufen der EZB  (Quantitative Easing) und der damit verbundenen Geldmengenausweitung ergeben. Aufgrund des starken Anstiegs des EZB-Leitzinses sind die Werte der Staatsanleihen, die auch die Bundesbank und andere Notenbanken angekauft haben, drastisch gesunken. Bei über 650 Mrd. Euro Staatsanleihen, die die Bundesbank halten soll, können das leicht 50-60 Mrd. Euro Buchverluste sein. Daher drohen ein negatives Eigenkapital und am Ende auch eine Rekapitalisierung auf Kosten der Steuerzahler. Der Bunderechnungshof hat daher kürzlich eindringlich gewarnt. Die Bundesbank wiegelt dagegen ab und hält die gebildeten Rückstellungen von knapp 20 Mrd. Euro für ausreichend.

Hinzu kommen jedoch nichtwerthaltige Vermögenspositionen. So stehen in der Bundesbank-Bilanz Target2-Forderungen ohne Rückzahlungsanspruch vor allem gegenüber Italien und Spanien in Höhe von über 1,2 Billionen Euro. Wenn die Bilanzen der Zentralbanken unter Druck geraten und Investoren ihr Vertrauen verlieren, kann die Inflation durch eine Flucht aus dem Euro in ungeahnte Höhen angeheizt werden. Auf diesen Effekt hat der Frankfurter Ökonom Dr. Ingo Sauer in seiner Analyse der Gründe für die Hyperinflation 1923 hingewiesen.

Dirigismus statt Markt

Was wir benötigen, um aus der Krise herauszukommen, sind wieder gute Rahmenbedingungen und die Förderung unternehmerischer Innovationen. Stattdessen erleben wir das Gegenteil. Die EU-Bürokratie und die Staaten glauben, die besseren unternehmerischen Entscheidungen treffen zu können. So soll z. B. das neue deutsche Intel-Werk mit rund 1 Million Euro pro Arbeitsplatz subventioniert werden.

Befeuert wird ein solcher sozialistischer und marktferner Dirigismus von Ökonomen wie Mariana Mazzucato, die in ihrem Bestseller „Das Kapital des Staates“ eine Lanze für den starken Unternehmerstaat und eine lenkende Industriepolitik nach guter alter keynesianischer Machart fordert. Das Geld dafür kann nach den Irrlehren der Modern Money Theory (MMT), die von Prof. Hans-Werner Sinn auch als moderne Märchentheorie verspottet wird, getrost weiter aus der Druckerpresse der EZB kommen. Dabei liegt die Geldmenge M3 mit 16 Billionen Euro schon fast 25 Prozent über dem realen BIP in der Eurozone (13 Mrd. Euro).

Politik muss handeln

Die deutsche Politik muss daher handeln, aber nicht so wie bisher und offenbar gewollt. Sie muss die Eckpfeiler des deutschen Geschäftsmodells wieder auf solide Beine stellen: Preiswerte Energieversorgung, moderne Infrastruktur, Planbarkeit politischer Entscheidungen, Entbürokratisierung, gutes Bildungssystem, Förderung von Innovationen im Mittelstand und bei Existenzgründungen sowie Stärkung regionaler Banken wie die Volks- und Raiffeisenbanken, die wissen, wie die Wirtschaft vor Ort tickt und welche Finanzierungen für wichtige Produktivinvestionen nötig sind, um den deutschen Kapitalstock wieder auf ein internationales Spitzenniveau zu bringen.

Autor: Diplom-Ökonom Dr. Michael A. Peschke

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